Ein paar Stunden ohne Facebook, Instagram, TikTok und WhatsApp? Was die heutige Eltern-Generation ohne Entzugserscheinungen verkraften wird, ist für Jugendliche undenkbar. Entzug ist kein übertriebener Begriff – der Konsum von Social Media kann süchtig machen. Experten werfen den Betreibern großer Netzwerke vor, Suchtpotenziale gezielt auszunutzen, um Nutzer online zu halten.
Aus dem harmlosen Zeitvertreib wird ein gesundheitliches Problem, wenn die Bestätigung durch einen „Like“ unseren Körper das Glückshormon Oxytocin ausschütten lässt, fehlende Aufmerksamkeit zu Angstzuständen führt und der Social-Media-Süchtige Phantomvibrationen spürt, wenn sich das Smartphone einmal nicht meldet. Zwar gehen Mediziner nur von knapp drei Prozent stark betroffener Jugendlicher aus, aber die Tendenz steigt. Social Media kann schlimmer süchtig machen als Nikotin und Alkohol und in der Rangfolge der Bedürfnisse Schlaf, Essen und Sex überholen. Eine gewisse Aufmerksamkeit der Eltern ist also nötig – das bedeutet aber nicht Verbote und totale Kontrolle.
Informiert bleiben
In Sachen Social Media ist dein Kind dir vermutlich weit voraus. Willst du auf Augenhöhe bleiben, musst du wissen, was Influencer und Follower sind, welche Plattformen gerade „in“ sind und welche Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre sie bieten. Nur wenn du dich auskennst, könnt ihr gemeinsam diese Parameter so regulieren, dass die Gefahren des Internets begrenzt werden. Informiere dich im Internet – Social-Media-Anleitungen für Eltern, die nicht mit dem Handy verwachsen sind, gibt es zur Genüge.
Einen Wissensvorsprung wirst du haben bei trockenen juristischen Themen wie Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht, Recht am eigenen Bild, Cybermobbing und teuren Verträgen, die man mit unbedachten Fingertipps in einer App abschließen kann. Ein paar gute gewählte Beispiele werden einem Jugendlichen die Augen öffnen für die üblen Konsequenzen unbedachter Handlungen.
Der volle Name darf nicht verlangt werden
Fake-Profile können Menschen einfach nur etwas cooler erscheinen lassen als im wahren Leben, sind aber auch eine Tarnung für Straftäter. Hier geht es nicht nur um Annäherung an Kinder und Jugendliche mit sexueller Motivation. Urlaubsbilder, die per WhatsApp an falsche Freunde verschickt werden, zeigen potenziellen Einbrechern, dass die Wohnung gerade leer steht. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens sollten Jugendliche dafür sensibilisiert werden, dass es falsche Identitäten im Netz gibt. Idealerweise sind sie online nur vernetzt mit Menschen, die sie aus dem „real life“ kennen. Ansonsten gilt: sofortiger Kontaktabbruch, wenn sie sich – warum auch immer – unwohl fühlen. Selbstverständlich sollte sein, dass man niemals zu einem ersten Treffen mit einer Online-Bekanntschaft allein geht – mindestens sollte der Kontakt an einem öffentlichen Ort stattfinden.
Zweitens, der oder die Jugendliche soll mit seinen bzw. ihren Daten äußerst sparsam umgehen. Ja, junge Menschen möchten auch in ihrer Online-Identität authentisch sein. Aber dazu muss man weder die genaue Adresse noch das Geburtsdatum oder die Schule nennen oder eine E-Mail-Adresse freischalten. Auch die Angabe eines vollen Namens ist nicht nötig und auch nicht sinnvoll. Der Bundesgerichtshof hat 2022 in letzter Instanz entschieden, dass der Klarnamenzwang in den Nutzungsbedingungen von Facebook unwirksam sei und eine anonyme Nutzung unter einem Nickname ermöglicht werden muss. Freizügige Fotos und Videos haben online nichts verloren – das Netz vergisst nicht.
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